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Ein Jäger im Mbuna-Aquarium: Melanochromis melanopterus

veröffentlicht in den DCG-Informationen 38 (12), Dezember 2007

Fast jeder Pfleger von Mbuna-Gemeinschaftsaquarien kennt es vermutlich: Die vermehrungsfreudigen Fische beginnen mit der Fortpflanzung und dank guter Brutpflege der Mütter und der versteckreichen Einrichtung des Aquariums werden mit der Zeit mehr und mehr Jungfische groß. Überwiegt zunächst die Freude über den Nachwuchs, wächst meist früher oder später die Erkenntnis, dass die Aquarienkapazität für eine dauerhaft steigende Fischzahl nicht ausgelegt ist. Dem Pfleger bleiben so meist nur zwei Alternativen. Entweder werden einmal im Jahr das gesamte Becken ausgeräumt und die überzähligen Fische herausgefangen oder es muss eine natürliche Methode zur Dezimierung des Nachwuchses gefunden werden. Da das Ausräumen des Beckens sowohl im Haushalt des Pflegers als auch bei den Fischen erheblichen Stress auslöst, ist das Einsetzen eines Jungfische fressenden Cichliden eine deutlich bessere Lösung.

Doch welche Art ist geeignet? Schließlich sollen die Tiere auch dann richtig ernährt werden, wenn gerade mal keine Jungfische das Aquarium bevölkern. Und die in Mbuna-Becken für die Aufwuchs fressenden Arten gereichte pflanzliche Kost ist sicherlich nicht geeignet, Räuber wie den für diese Zwecke oftmals eingesetzten Sciaenochromis fryeri dauerhaft artgerecht zu ernähren. Zumal ich viele Erfahrungsberichte kenne, nach denen auch trotz des Einsetzens von S.fryeri weiterhin viele Jungfische im Aquarium aufwuchsen. Ob das an der Gewöhnung an das Ersatzfutter "von oben" oder der mangelnden Fähigkeit liegt, Jungfische aus engen Höhlen und Spalten zu erbeuten, kann ich dabei nicht beurteilen.
Nur wenige wissen, dass es auch unter den Mbuna Arten gibt, die sich zumindest teilweise räuberisch von Jungfischen ernähren. Eine dieser Arten ist Melanochromis melanopterus TREWAVAS, 1935, die Typusart der Gattung. Nach Literaturangaben leben diese Cichliden einzelgängerisch im Felsbiotop und jagen Jungfische. Zusätzlich wird aber auch Aufwuchs und Plankton gefressen, so dass die Art als Allesfresser bezeichnet werden kann. Leider wird die Art nach meinen Erfahrungen im Handel nur selten angeboten, so dass ich sehr froh war, als ich beim Besuch eines auf ostafrikanische Cichliden spezialisierten Fachgeschäfts Jungfische in vier bis fünf Zentimeter Größe entdeckte. Alle wiesen noch das schwarz-weiße Jugendkleid in der für Melanochromis typischen Längsstreifung auf. In Anbetracht der Endgröße von 13 Zentimetern erwarb ich nur eine kleine Gruppe von fünf Exemplaren, die zu Hause in mein 500 Liter-Becken einzog, das mit verschiedenen Mbuna-Arten besetzt ist.

Melanochromis
Ein junges, noch nicht vollständig gefärbtes Männchen von M.melanopterus.

Die ersten Tage verliefen relativ ereignislos, die Neuankömmlinge erforschten gemeinsam das Becken und wurden von den Alteingesessenen mehr oder weniger energisch auf die bestehenden Reviergrenzen aufmerksam gemacht. Das angebotene, überwiegend pflanzliche, Futter wurde gierig gefressen, ab und an pickten die Tiere am die Steine überwachsenden Aufwuchs.
Schon bald begann jedoch einer der Melanochromis sich dunkel zu färben, die weißen Streifen verschwanden und wichen einem blauen Schimmer auf den Flanken. Leider verstarb dieses Exemplar nur kurz nach der begonnen Umfärbung, ohne vorherige Anzeichen eine Krankheit. Danach musste ich dann etwas länger warten, ehe das nächste Tier aus der Gruppe sich als Männchen zu erkennen gab. In einer Größe von sechs bis sieben Zentimetern färbte es sich zunehmend dunkler, der Blauschimmer auf den Flanken zieht sich bis in die Schwanzflosse hinein. Zudem sind die blaue Unterlippe und die hellblauen bzw. gelben Ränder der Flossen nun deutlich vom insgesamt dunkelbraunen Fisch abgesetzt und leuchten einem förmlich entgegen.

Melanochromis
Jungtier in typischer schwarz-weiß Färbung.

Trotz der einsetzenden Geschlechtsreife behielten die Tiere ihr Gruppenverhalten noch eine ganze Zeit bei. Die vier verbliebenen zogen bis zu einer Größe von gut acht Zentimetern oft gemeinsam durch das Aquarium, und das obwohl sich inzwischen ein zweites und sogar drittes Männchen umzufärben begann. Das vierte Tier scheint glücklicherweise ein Weibchen zu sein, es hat bis heute die Streifenzeichnung der Jungfische beibehalten, lediglich das helle weiß hat sich in einen etwas dunkleren beige Ton gewandelt.
Irgendwann löste sich dieser Verbund dann auf und die Tiere zogen alleine durchs Becken. Im Vergleich zu den anderen Mbuna fällt die geringe Standorttreue der Art auf. Während Männchen anderer Arten ihren festen Platz als Revier verteidigen, schwimmen die Melanochromis melanopterus unentwegt umher. Dieses wenig territoriale Verhalten, das sich wohl in der Natur als umherziehender Raubfisch begründet, macht es vermutlich auch möglich, dass die ungünstige Gruppenkonstellation von drei Männchen und einem Weibchen bei mir noch zu keinen Problemen geführt hat. Zwar kommt es bei Begegnungen der Männchen regelmäßig zum bedrohlich aussehenden Umkreisen mit aufgestellten Flossen und Kiemen, und einer anschließenden kurzen Verfolgungsjagd, jedoch immer nur, bis das unterlegene Tier außer Sichtweite geschwommen ist. Überhaupt scheint es zwischen den drei Männchen eine feste Rangordnung zu geben. Während das größte permanent in Prachtfärbung ist, sieht das kleinste nach wie vor aus, als ob es sich in der Umfärbung befindet, die dunkle Körperfärbung ist noch nicht vollständig abgeschlossen. Das mittlere Männchen zeigt regelmäßig die dunkle Prachtfärbung, wechselt aber als Zeichen der Besänftigung sofort in die Weibchenfärbung, wenn es dem großen Männchen begegnet und von diesem mit gespreizten Flossen angedroht wird.
Das Weibchen schließlich beteiligt sich ab und zu an den Drohgebärden und kleinen Scharmützeln der Männchen, wird ansonsten aber in Ruhe gelassen. Heftiges Anbalzen, wie bei anderen Mbuna an der Tagesordnung, konnte ich noch nicht beobachten, genauso wenig gab es bisher Anstalten zum Ablaichen.

Melanochromis
Adultes Weibchen, die ursprünglich weiße Färbung ist einem dunklen Beige gewichen.

Alle vier Melanochromis sind inzwischen auf gut über zehn Zentimeter Größe angewachsen und zählen damit zu den größten Mbuna in meinem Aquarium. Da sie keine Reviere beanspruchen, konnte ich mit keiner anderen Art ernsthafte Streitigkeiten beobachten.
Jungfische anderer Arten haben bei mir seit dem Kauf der M.melanopterus übrigens nicht mehr überlebt. Ob dies alleine dem geschickten Jagdverhalten der Art zu verdanken ist, oder mein Becken diesen Räubern nun zufällig ideale Jagdbedingungen bietet, ist wohl kaum nachzuweisen. Wer noch einen vom Verhalten und der Farbgebung interessanten Mbuna als Ergänzung zum vorhandenen Besatz sucht, der vielleicht auch noch das Jungfischproblem löst, liegt mit dieser Art aber goldrichtig.

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